
Was ist die Gold-Silber-Ratio?
Die Gold-Silber-Ratio ist eine Kennzahl, die das Preisverhältnis zwischen den Edelmetallen Gold und Silber angibt. Sie zeigt an, wie viele Unzen Silber notwendig sind, um eine Unze Gold zu erwerben. Aktuell (Stand Juni 2025) liegt der Goldpreis bei etwa 3.300 US-Dollar je Feinunze, während eine Unze Silber bei rund 35 US-Dollar notiert. Daraus ergibt sich eine Gold-Silber-Ratio von 94:1.
Das heißt: Eine Unze Gold ist derzeit so viel wert wie 94 Unzen Silber – ein historisch hoher Wert, der bei vielen Marktbeobachtern als Signal für eine Unterbewertung von Silber gilt. Die Ratio ist somit nicht nur ein Rechenwert, sondern auch ein Indikator für relative Preisverhältnisse zwischen beiden Edelmetallen.
Was sagt die Ratio aus?
Die Gold-Silber-Ratio wird oft herangezogen, um Preisverzerrungen zu erkennen. Wenn sie sehr hoch ist – wie derzeit –, wird Silber im Verhältnis zu Gold als billig eingestuft. Eine niedrige Ratio wiederum deutet auf eine relative Stärke von Silber oder eine Schwäche von Gold hin. Historisch betrachtet bewegte sich das Verhältnis über Jahrhunderte hinweg in ganz anderen Bahnen.
Ein Blick in die Geschichte
In der Antike war Silber deutlich näher an Gold bewertet. In Rom lag die gesetzlich festgelegte Ratio lange bei 12:1. Auch im Mittelalter und in der frühen Neuzeit schwankte das Verhältnis zwischen 10:1 und 20:1. Erst mit der Abschaffung des Bimetallstandards und der vollständigen Monetarisierung von Gold im 20. Jahrhundert verschob sich das Verhältnis dauerhaft zu Ungunsten von Silber.
Ein prägendes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit ist der 18. Januar 1980. Damals erreichte Silber auf Basis des Londoner Referenzkurses mit 49,45 US-Dollar ein Rekordhoch, während Gold bei 835 US-Dollar stand – eine Ratio von gerade einmal 17:1. Das war der Wendepunkt einer intensiven Edelmetall-Hausse, getrieben unter anderem durch die Hunt-Brüder, die einen großen Teil des Silbermarktes aufkauften.
In der Folgezeit stieg die Ratio deutlich. Während Gold 2011 sein damaliges Hoch bei rund 1.900 US-Dollar erreichte, schaffte es Silber erneut auf knapp 50 US-Dollar – eine Ratio von rund 38:1. Danach setzte sich die Schere erneut auseinander.
Der Extremwert kam im Frühjahr 2020: In der Corona-Krise kletterte die Gold-Silber-Ratio kurzfristig auf über 120:1. Das war der höchste jemals verzeichnete Wert – Ausdruck einer massiven Flucht in Gold, während Silber als Industriemetall stark unter Druck stand.

Gold-Silber-Ratio: Was ist „hoch“, was ist „niedrig“?
Eine pauschale Bewertung gibt es nicht, doch langfristige Mittelwerte bieten Orientierung. Historisch lag die Ratio oft im Bereich zwischen 50 und 60. Viele Analysten betrachten Werte oberhalb von 80 als Hinweis auf eine relative Schwäche von Silber, unterhalb von 40 eher als Zeichen einer Silber-Rally. Mit dem aktuellen Stand von 94:1 liegt das Verhältnis also deutlich über dem langfristigen Durchschnitt.
Gold in der Krise, Silber im Aufschwung?
Beide Edelmetalle gelten als Anlageinstrument, doch sie reagieren unterschiedlich auf wirtschaftliche Entwicklungen. Gold profitiert meist in Phasen wirtschaftlicher, finanzieller und geopolitischer Krisen. Es wird vor allem als Währungsreserve sowie als Vermögens- und Inflationsschutz gekauft – von Staaten, Zentralbanken und privaten Investoren.
Silber hingegen ist ein hybrides Metall: Neben seiner Geldanlage-Funktion ist es ein stark gefragter Industriestoff – etwa in der Elektrotechnik, Photovoltaik, Batterietechnik und Medizintechnik. In wirtschaftlichen Aufschwüngen steigt daher oft die Nachfrage nach Silber deutlich an – was seinen Preis beflügeln kann.
So erklärt sich auch die Divergenz in Krisenzeiten. Während Gold als sicherer Hafen gesucht ist, leidet Silber unter einem Nachfragerückgang aus der Industrie. In Aufschwungphasen, womöglich bei gleichzeitig steigender Inflation, kann sich das Verhältnis wieder zugunsten von Silber verschieben.
Die natürliche Ratio: Geologie vs. Börse
Ein interessanter Vergleich ergibt sich, wenn man das Vorkommen beider Metalle betrachtet. Weltweit wurden laut US Geological Survey (USGS) bislang etwa 216.000 Tonnen Gold und 1.740.000 Tonnen Silber gefördert – ein Verhältnis von etwa 1:8. Auch die noch bekannten Reserven zeigen ein ähnliches Bild: Rund 64.000 Tonnen Gold stehen etwa 640.000 Tonnen Silber gegenüber. Die „natürliche“ Ratio läge also irgendwo zwischen 1:8 und 1:10.
Doch der Markt bewertet anders: Die Preise spiegeln nicht nur Angebot und Nachfrage, sondern auch Lagerfähigkeit, Transportkosten, Liquidität, monetäre Relevanz und Investitionsverhalten wider. Daher notierte die tatsächliche Ratio über viele Jahrzehnte meist zwischen 40 und 100.
Kaufkraft als Vergleichswert
Ein weiterer Ansatz stammt aus der monetären Geschichtsanalyse. Historisch entsprach eine Unze Gold oft dem Preis eines hochwertigen Herrenanzugs – dieser Zusammenhang lässt sich über viele Jahrzehnte nachweisen. Goldreporter führte dazu eine Analyse von Anzugpreisen in Versandkatalogen durch – mit Daten, die bis in die 1930er-Jahre zurückreichen.
Während für den Kauf einer solchen Herrenbekleidung in der Vergangenheit tatsächlich durchschnittlich eine Unze Gold nötig war (derzeit deutlich weniger), kostete dieser gemäß Goldreporter-Analyse im Durchschnitt etwa 30 Unzen Silber.
Würde man dieses Verhältnis auf die heutigen Preise übertragen, müsste der Silberpreis bei einem Goldpreis von 3.300 US-Dollar bei rund 110 US-Dollar liegen, um eine Ratio von 30:1 zu erreichen. Tatsächlich liegt Silber mit 35 US-Dollar aber weit darunter. Alternativ müsste der Goldpreis bei dem aktuellen Silberkurs auf 1.050 US-Dollar sinken, um eine Ratio von 30:1 herzustellen. Allerdings deuten die aktuellen Verhältnisse auf ein erhebliches Aufholpotenzial für Silber hin – zumindest aus langfristiger Perspektive.
Ratio-Trading: Die Strategie hinter dem Verhältnis
Einige Anleger nutzen die Gold-Silber-Ratio aktiv für taktische Umschichtungen. Diese Strategie wird als Ratio-Trading bezeichnet. Dabei tauscht man bei extrem hohen Ratios Gold gegen Silber – in der Erwartung, dass sich das Verhältnis wieder normalisiert. Bei niedrigen Ratios wird der Tausch dann umgekehrt vorgenommen.
Beispiel: Wer 2020 bei einer Ratio von 120:1 Gold gegen Silber tauschte, konnte in den folgenden zwei Jahren von einem Rückgang auf rund 64:1 profitieren – vorausgesetzt, der Trade wurde konsequent verfolgt.
Diese Strategie ist jedoch nicht risikolos. Die Ratio kann über Jahre auf extremen Niveaus verharren. Zudem ist Silber deutlich volatiler als Gold – sowohl in Preisbewegungen als auch im Handelsvolumen.
Fazit
Die Gold-Silber-Ratio liefert eine einfache, aber wirkungsvolle Orientierung zur Einschätzung der relativen Bewertung beider Edelmetalle. Zuletzt signalisierte das Verhältnis von 94:1 eine deutliche Dominanz von Gold – und damit eine potenzielle Unterbewertung von Silber. Freilich könnte man umgekehrt auch von einer Überbewertung des Goldes sprechen. Allerdings deuten die fehlenden Rekordhochs bei Silber klar auf dessen Nachholpotenzial hin.
Auch langfristige historische, geologische und kaufkraftbezogene Betrachtungen legen das nahe. Ob diese Preisanpassung irgendwann nachhaltig realisiert wird, hängt von vielen Faktoren ab – von der wirtschaftlichen Entwicklung über die Industrie-Nachfrage bis hin zu geopolitischen Spannungen, aber auch von den generellen Barrieren und Besitzverhältnissen auf dem Silbermarkt. Beispielsweise ist die US-Investmentbank JP Morgan einer der größten Silberbesitzer weltweit – mit entsprechendem Markteinfluss.
Für Anleger gilt: Die Gold-Silber-Ratio ist kein Kauf- oder Verkaufssignal im klassischen Sinn. Aber sie bietet wertvolle Anhaltspunkte, um Edelmetall-Investments differenzierter zu betrachten – gerade für jene, die antizyklisch denken und langfristig agieren.