
Zwischen kurzfristigem Hype und langfristiger Investition
Schon im Vorfeld hatte die Swissmint mit einem großen Andrang gerechnet. Die Auflage war auf nur 2.500 Stück begrenzt, was sie seltener machte als die historische Erstausgabe von 1925. Als um 9 Uhr am 1. Juli der Verkauf starten sollte, brach die Website der Münzprägestätte praktisch vollständig zusammen. Stundenlang war der Webshop nicht erreichbar, viele Interessenten blickten auf Fehlermeldungen und Ladekreise.
Als der Verkauf schließlich mit erheblicher Verspätung anlief, war die Ausgabe innerhalb kürzester Zeit vergriffen. Der Ärger ließ nicht lange auf sich warten: Auf Social Media häuften sich Kommentare über eine unprofessionelle Abwicklung, enttäuschte Sammler machten ihrem Unmut Luft.
Spekulative Preise jenseits des Goldwerts
Kaum waren die Münzen offiziell ausverkauft, landeten erste Exemplare auf Online-Plattformen. Der Ausgabepreis von 3.500 Franken, der bereits einen deutlichen Aufschlag auf den Goldwert von etwa 2.500 Franken enthielt, verdoppelte sich innerhalb weniger Stunden. Ein Exemplar wurde auf Ricardo für knapp 10.000 Franken verkauft, andere Anbieter setzten Fantasiepreise von bis zu 40.000 Franken an – mehr, als für das historische Original gezahlt wird.
Typisch für solche Marktsituationen sind drei Phänomene:
- Eine künstliche Verknappung durch geringe Auflagen
- Ein kurzfristiger Hype, der emotionale Kaufentscheidungen befeuert
- Rasch steigende Sekundärmarktpreise, die nicht durch Substanz gedeckt sind
Viele Beobachter bezeichneten die Entwicklung als Paradebeispiel einer spekulativen Blase, die erfahrungsgemäß nach einigen Monaten wieder implodiert.
Das historische Vreneli: Substanz statt Aufregung
Im Schatten des Jubiläumsrummels lohnt sich ein Blick auf die klassische Variante: das 20-Franken-Goldvreneli. Diese Münze wurde zwischen 1897 und 1949 in über 58 Millionen Exemplaren geprägt. Sie diente einst als offizielles Zahlungsmittel und entwickelte sich nach der Abwertung des Frankens 1936 zu einem beliebten Hortungsobjekt.
Bis heute gilt das 20-Franken-Vreneli als solide, transparente Form der Goldanlage. Wer es kauft, investiert vor allem in den Materialwert und zahlt nur einen geringen Sammleraufschlag. Für viele Anleger ist dies ein entscheidender Vorteil:
- Hohe Liquidität und Handelbarkeit im In- und Ausland
- Geringe Preisschwankungen im Vergleich zu limitierten Sondereditionen
- Klare Orientierung am aktuellen Goldpreis
Gerade in unsicheren Zeiten haben sich Standardprägungen wie das 20-Franken-Vreneli als verlässliche Wertaufbewahrung bewährt.

Hype vermeiden, Substanz bevorzugen
Als Edelmetallhändler beobachten wir solche Sonderverkäufe mit einer gewissen Skepsis. Natürlich sind limitierte Prägungen für leidenschaftliche Sammler ein reizvolles Feld. Wer jedoch Edelmetalle vor allem als Absicherung gegen Inflation oder Währungsrisiken kauft, sollte sich von kurzfristigen Spekulationsanreizen fernhalten.
Drei Grundprinzipien sind aus meiner Sicht entscheidend:
- Investieren Sie nur in Produkte, deren Wert Sie nachvollziehen können
- Kaufen Sie nahe am Spotpreis und nicht in Hype-Phasen numismatischer Mode-Erscheinungen
- Planen Sie Ihre Edelmetallanlage langfristig und nüchtern
Diese Regeln schützen vor überzogenen Aufschlägen, die in einer angespannten Marktlage kaum wieder hereinzuholen sind. Natürlich dürfen Sie auch sammeln und Münzen kaufen, die fürs Herz oder fürs Auge geeignet sind – aber rechnen Sie hier bitte nicht mit einer Spitzen-Rendite.
Langfristig denken statt kurzfristig spekulieren
Ein weiterer Aspekt macht das klassische 20-Franken-Vreneli besonders interessant: Es erinnert an eine Epoche, in der Goldmünzen noch selbstverständlicher Teil des Umlaufs waren und im täglichen Zahlungsverkehr genutzt wurden. Bis weit ins 20. Jahrhundert konnte man in der Schweiz tatsächlich mit Goldvrenelis einkaufen oder sie als Wechselgeld erhalten. Möglich wurde das auch durch die Zugehörigkeit der Schweiz zur Lateinischen Münzunion, einem Währungsbündnis mehrerer europäischer Staaten wie Frankreich, Italien, Belgien und Griechenland.
Diese Union vereinbarte ab 1865 einheitliche Standards für Gold- und Silbermünzen (Feingehalt, Gewicht, Nennwert), damit sie grenzüberschreitend als Zahlungsmittel zirkulieren konnten. Das Vreneli wurde nach diesen Normen geprägt und ist ein Zeugnis einer Zeit, als Edelmetallmünzen noch echtes gesetzliches Zahlungsmittel waren.
Das Goldvreneli bleibt ein Erinnerungsstück dieser goldenen Ära – und ein Stück Schweizer Kulturgut, ganz egal ob als historisches 20-Franken-Stück oder als moderne Sonderausgabe. Doch der aktuelle Hype um die 100-Franken-Jubiläumsmünze zeigt, wie schnell Emotionen und künstliche Verknappung zu übersteigerten Preisen führen.
Wer Edelmetalle zur Vermögenssicherung nutzt, fährt besser, wenn er Standardmünzen bevorzugt und bei limitierten Editionen Zurückhaltung wahrt. Langfristig zahlt sich diese Strategie in Form von Stabilität und Werterhalt aus – ohne sich an kurzfristigen Spielchen beteiligen zu müssen.